Innovation tut gut: Zukunft stärker selbst gestalten
IG Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard hat leidenschaftlich dafür plädiert, die Zukunft der Arbeit selbst in die Hand zu nehmen, sie nicht den Unternehmern allein zu überlassen. "Wir sind super in der Abwehr", sagte Burkhard in der IG Metall-Bildungsstätte Sprockhövel. Jetzt gehe es um die Fähigkeit zum Co-und Contra-Management "auf Augenhöhe".
"Arbeit 2020" - unter diesem Titel stand die Konferenz des IG Metall-Projekts "Kompetenz & Innovation". Dieser Titel meine "kein neues Projekt", erklärte Oliver Burkhard vor 130 Betriebsräten, Wissenschaftlern und Gewerkschaftssekretären, sondern "eine Haltung": Es gehe darum, sich vorzustellen, "wie wir in zehn Jahren arbeiten wollen".
Er nannte auch die Stichwörter, die ihm dazu einfallen: gute, sichere und anständig bezahlte Arbeit, unbefristet und tarifgebunden, gute Aus- und Weiterbildung sowie mehr Mitbestimmung.
Betriebsräte sollen sich in Strategie einmischen
Wenn man die Unternehmen zwinge, "weiter als bis zur nächsten Kurve zu denken", könne man beispielsweise Produktionsverlagerunngen öfter verhindern. Wenn man dafür sorge, die Fertigungstiefe samt Forschung und Entwicklung zu erhalten, sichere man "heute Arbeitsplätze, die vielleicht morgen entstehen". Und wer mithelfe, "Innovationspotenziale zu finden, an die die Geschäftsleitung vielleicht noch gar nicht gedacht hat", der erreiche etwas für seine Kolleginnen und Kollegen, nämlich gute Arbeitsplätze. Deshalb hätten Betriebsräte nicht nur die Kompetenz, sondern die Pflicht, sich in strategische Unternehmensentscheidungen einzumischen. Wer sich heute einmische, erspare sich "mit großer Wahrscheinlichkeit die Abwehrschlachten von morgen".
Industriestandort Deutschland gewinnt wieder Ansehen
Einen optimistischen Ausblick auf die Entwicklung des Industriestandorts Deutschland gab Gerhard Bosch von der Uni Duisburg-Essen. Er machte darauf aufmerksam, dass jeder zweite Arbeitsplatz hierzulande direkt oder indirekt von der Industrie abhängig ist. Und er sprach von den "unvermindert großen Stärken der deutschen Industrie": der Sozialpartnerschaft, die sich zuletzt in der Krise 2008/2009 bewährt habe, vom hohen Facharbeiteranteil und den steigenden Investitionen in Forschung und Entwicklung. Das Vertrauen in die Zukunft der Industrie, das durch die Standortdiskussion vor zehn Jahren verlorengegangen sei, wachse wieder, sagte Professor Bosch. Und nach Jahren der Deregulierung des Arbeitsmarktes findet dessen Regulierung "wieder politische Mehrheiten".
Kommunikation - das Geheimnis der deutschen Wettbewerbsfähigkeit
Auch Bosch plädierte dafür, sich in die strategische Unternehmensplanung einzumischen. Denn jede Firmenkrise beginne mit einer strategischen Krise. In dieser Phase sei sie noch handhabbar; stehe die Zahlungsunfähigkeit an, sei es dafür zu spät. Bosch kritisierte die "unzureichende Ausschöpfung interner Innovationspotenziale", zum Beispiel durch die Entkoppelung von akademischer Tätigkeit und Fertigung". Dabei sei die Kommunikation zwischen Machern und Erfindern womöglich "das Geheimnis der deutschen Wettbewerbsfähigkeit".
"Innovation" - einen schillernden Begriff vom Kopf auf die Füße stellen
"Innovation" übersetzt der Fremdwörterduden mit "Einführung von etwas Neuem". Redet die Geschäftsführung davon, ist meist Verlagerung, Beschäftigungsabbau oder steigender Leistungsdruck gemeint. Deshalb ist "Innovation" für viele Betriebsräte und Beschäftigte negativ besetzt. In einem der vier Foren der IG Metall-Konferenz sollten die Teilnehmer den Satz "Für mich sind Innovationen gut, wenn..." vollenden. Heraus kamen Antworten wie "... sie den Laden weiterbringen und den Leuten gut tun" oder "... sie gute Arbeitsplätze sichern und schaffen". Es gab auch die Antwort, wonach die Innovation von Produkten und Prozessen oder organisatorische und soziale Innovationen gut sind, wenn "... ich einen gesetzlichen Rahmen dafür habe, z.B. mehr Mitbestimmung".
Mitarbeiterbeteiligung fördert Innovationen
Laut Steffen Kinkel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe ist das Wissen um Innovationspotenziale "überwiegend bei einzelnen Mitarbeitern verankert". Es sei Aufgabe der Betriebsräte, andere daran teilhaben zu lassen. "Dadurch entsteht mehr Wissen." Die Mitarbeiterbeteiligung habe nur positive Auswirkungen auf betriebliche Innovationen, keine negativen.
"Chefflüsterer" gesucht
Ein Teilnehmer sagte, die Entwicklung von Besser-Strategien sei nicht das Problem, sondern die Frage "Wie kriege ich sie dem Chef verklickert?" Eine Antwort lautete: Innovationen zum Thema auf jeder Betriebsversammlung machen und so Druck entwickeln. Eine andere: "Tandems" aus Vertretern von Geschäftsführung und Betriebsrat bilden, die in anderen Betrieben Beispiele guter Praxis begutachten.
Nur positive Kommentare
In der Schlussrunde der Tagung gab es viel Lob für den Veranstalter. Der Betriebsratsvorsitzende von Gira aus Radevormwald, Lutz Faßbender, sagte, er habe erfahren, "dass der Standort Deutschland deshalb so stark ist, weil es uns gibt - und darauf können wir stolz sein". Reiner Wunderlich von Dura in Plettenberg sagte, er hätte lieber vier, fünf Tage statt vier, fünf Stunden in Sprockhövel verbracht. Martin Brummermann von Coko in Bad Salzuflen antwortete auf die Frage, was er von der Konferenz mitnehmen: "Ich kenne jetzt Leute, die ich anrufen kann."
Noch mehr Infos
Die IG Metall-Bezirksleitung hat ein Memorandum zum Thema herausgegeben, Titel: "Innovationen mit Mehrwert für sichere & gute Arbeit". Die Broschüre hat 63 Seiten. Sie kann kostenlos bestellt werden bei stefanie.baukes-funck(at)igmetall(dot)de
Der IG Metall-Vorstand hat ein Diagnosewerkzeug entwickelt: "Innovationen im Unternehmen beurteilen, anregen, umsetzen". Mehr Infos: www.innokenn.de