Es steht Spitz auf Knopf
Entweder kommt in dieser Nacht eine Einigung am Verhandlungstisch zustande – oder die IG Metall ruft ab Mittwoch die Beschäftigten der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie zum Warnstreik auf. Vor diese Alternative stellte IG Metall-Verhandlungsführer Michael Jung die Arbeitgeber heute in Bocholt.
Fast 150 Metallerinnen und Metaller sind angereist – aus ganz NRW, von Aachen bis Wuppertal, sowie den IG Metall-Bezirken Küste und Niedersachsen-Sachsen-Anhalt; überwiegend Mitglieder der IG Metall-Tarifkommissionen für die westdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Denn heute, in der dritten Verhandlung, will die IG Metall den Durchbruch schaffen. Während die Arbeitgeber im Verhandlungslokal, dem Hotel „Am Erzengel“, zu Mittag essen, demonstrieren die Textiler vor ihren Augen lautstark für „Mehr ist fair“. Sie fordern eine Tariferhöhung von fünf Prozent sowie Regelungen zur Altersteilzeit und zur Übernahme der Ausgebildeten.
IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler steht auf der Ladefläche eines Lastwagens, vor einem Transparent mit der Aufschrift „Gut. Besser. IG Metall“. Er ruft ins Mikro: „Die Arbeitgeber müssen sehen, dass wir es ernst meinen!“ Giesler kritisiert sie dafür, dass sie noch kein Angebot gemacht haben. „Mit dieser Taktik provozieren sie den Konflikt.“
Der Verhandlungsführer der Textil-Unternehmer hat eine Lohnerhöhung in Aussicht gestellt, die nichts kosten dürfe. Giesler macht sich darüber lustig: „Mir fehlt die Fantasie, wie das funktionieren soll.“ Er weiß natürlich, was die Arbeitgeber meinen, wenn sie von kostenneutraler Lohnerhöhung reden: Die Senkung des Rentenbeitrags erhöht das Nettoeinkommen – und damit sollen die Beschäftigten sich zufrieden geben.
"Michael, zeig's ihnen!"
IG Metall-Verhandlungsführer Michael Jung ruft den Arbeitgebern zu: „Heute ist die letzte Möglichkeit, in Frieden eine Einigung hinzukriegen.“ Gut gelaunt ruft ihm die Bocholter Gewerkschaftssekretärin Cornelia Leson-Griesbeck nach: „Michael, zeig’s ihnen!“
Heike Lange von der Firma Bremskerl in Niedersachsen erklärt, warum eine Lohnerhöhung buchstäblich notwendig ist: „Viele Kolleginnen haben am Monatsende nichts übrig.“ Dirk Röddiger von Quadrant in Vreden bei Bocholt erklärt, warum die Tarifforderung bezahlbar ist: „Der Umsatz in unserer Branche ist auf dem Niveau von 2007 – und dieses Jahr gilt als das beste der Nachkriegsgeschichte.“ Michelle Salg von GST im baden-württembergischen Maulburg, appelliert an die Arbeitgeber: „Kommt runter von eurem hohen Roß!“