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04/12/2013

Eine Insolvenz wäre das kleinere Übel

500 Menschen protestierten heute in Detmold mit einem Trauermarsch gegen die geplante Massenentlassung beim Spanplattenhersteller Hornitex im benachbarten Horn-Bad Meinberg. 250 der 350 Beschäftigten sollen noch vor Weihnachten die Kündigung erhalten. Betriebsrat und IG Metall hoffen auf eine Insolvenz.

Dumpfe Trommelschläge sind das Signal: Kurz nach 17 Uhr setzt sich der Marsch in Bewegung - vom Kronenplatz hinter dem Detmolder Bahnhof in Richtung City. Die Menschen halten rot schimmernde Grablichter und Pechfackeln in der Hand, viele tragen orangefarbene oder gelbe Warnwesten. Vorneweg ein Transparent mit einem Spruch, der Mut und Verzweiflung verrät: "Es ist noch nicht das Ende aller Tage, trägt Glunz auch Hornitex zu Grabe!" Die Glunz AG ist der Mutterkonzern, dessen Geschicke wiederum die portugiesische Unternehmensgruppe Sonae Indústria lenkt, einer der weltweit größten Hersteller von Holzwerkstoffen.

Hinter dem Transparent gehen zwei "Sensenmänner", gefolgt von einem schwarzen Sarg auf einer großrädrigen Karre, die von vier Männern gezogen wird. Einer von ihnen arbeitet schon 36 Jahre bei Hornitex. Er wirft dem Management vor, "nur Zahlen im Kopf" zu haben, und nicht an die Menschen zu denken.


Bürgermeister vermisst soziale Verantwortung

Wir ziehen vorbei am Landestheater. Auf dem Spielplan steht "Kleiner Mann - was nun?" Es nieselt; laut Wetter-App sind's vier Grad, gefühlt ist es kälter. Durch die abendliche Fußgängerzone geht's weiter zum Marktplatz. Oben auf der Rathaustreppe steht Bürgermeister Rainer Heller. Er nennt die Vorgänge bei den Glunz-Töchtern GHP und Tool - besser bekannt unter ihrem früheren Namen Hornitext - "ein Trauerspiel". Er vermisse auf Arbeitgeberseite soziale Verantwortung, sagt Heller. Sein Amtsbruder aus Horn-Bad Meinberg, Eberhard Block, wird konkreter: Die versprochenen Investitionen am Standort hätten sich als "leere Versprechen" entpuppt, sagt er. Und appelliert an den Konzern, die Beschäftigten nicht "ins Loch fallen zu lassen", sondern ihnen eine Perspektive zu geben.

Verhandlungen mit der Geschäftsführung hat der Betriebsrat noch nicht geführt. Er wolle keine Arbeitsplätze abbauen, sondern alle erhalten, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Richard Soethe (Bild 12). Angst vor einer Insolvenz hat er nicht. "Vielleicht findet sich dann irgendwer, der uns übernehmen will." Die geplanten Entlassungen seien der Anfang vom Ende, befürchtet Soethe. Allein mit den restlichen 100 Arbeitsplätzen könne der Standort nicht überleben.


IG Metall will "beinharte Auseinandersetzung" führen

Das sieht IG Metall-Sekretär Svend Newger auch so. Ein Insolvenzverwalter könne nämlich Aufträge zurückholen und so die Firma retten. Die Geschäftsführung von Hornitex will eher das Gegenteil; sie klagt vor dem Arbeitsgericht gegen den Betriebsrat, um eine Einigungsstelle einsetzen zu lassen. Denn sobald die eingesetzt ist, können Kündigungen ausgesprochen werden. "Es geht der Firma nicht um eine Einigung, sondern um Entlassungen", sagt Svend Newger. Und kündigt "eine beinharte Auseinandersetzung" an. Man wisse nicht, ob sie von Erfolg gekrönt werde, aber "wir lassen uns nicht wie Vieh zur Schlachtbank führen!"

Glunz hat in den vergangenen drei Jahren weltweit neun Werke geschlossen, um die jeweilige Produktionsmengen anderen Standorte zugute kommen zu lassen. Besonders geschickt scheint sie dabei nicht vorgegangen zu sein; laut Betriebsrat sind die Aufträge nicht in die eigenen Werke gegangen, sondern größtenteils von der Konkurrenz geschluckt worden.

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