Textil & Bekleidung
12/11/2014

Arbeitgeber-Pläne durchkreuzt

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wollten die Arbeitgeber der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie heute in Münster die dritte Tarifverhandlung mit der IG Metall führen. Hunderte Textiler machten ihnen einen Strich durch die Rechnung und zogen lautstark durch die Innenstadt.

Sie stehen um 11:30 Uhr auf dem Domplatz von Münster, gegenüber dem Bischöflichen Generalvikariat – zentraler geht’s nicht. Sie kommen aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und acht nordrhein-westfälischen IG Metall-Verwaltungsstellen: Bocholt, Düren, Herford, Krefeld, Minden, Mönchengladbach, natürlich Münster und Rheine. Sie tragen rote Jacken oder Warnwesten mit IG Metall-Logo und dem Slogan „Wir für mehr – Stark in Textil & Bekleidung“.

Der Demo-Zug formiert sich. Zwei Herforder vorn an der Zugspitze bringen die Sache, um die‘s geht, auf den Punkt: „Kein Auskommen mit dem ‚Einkommen‘“ steht auf ihrem Transparent. Ihnen vorweg marschieren neun Trommler einer Samba-Gruppe. Sie geben mit ihren Trommelschlägen die Schrittgeschwindigkeit vor – recht flott geht’s über Pferdegasse und Johannisstraße durch die Altstadt Richtung Ludgeriplatz. Die Textiler sind weder übersehbar noch überhörbar. Die Aufmerksamkeit der Passanten und Café-Besucher ist ihnen sicher.

So viele "Rote" wie nie stehen vor dem Haus der Arbeitgeber

Vor dem großen Backsteinhaus des Textil- und Bekleidungsverbandes Nordwest macht der Protestzug Halt. Aus einem der Giebelfenster winken zwei Frauen. So viele „Rote“ dürften hier noch nie gestanden haben.

Weiter geht’s. Raus aus der Innenstadt. Vorbei am Aasee und links über die Adenauerallee. Der Demo-Zug ist hundert Meter lang, zeitweilig noch länger. Neben dem Restaurant „Zum Himmelreich“ steht das Küchenpersonal und staunt. Nach einer Stunde und drei Kilometern ist das „Mövenpick“, das Verhandlungslokal, erreicht.

Auf einer weißgedeckten Tischreihe stehen Kaffee, Wasser, Cola und Limo. Hotelköche schöpfen Gulasch- und Kartoffel-Suppe – auch vegetarische – in Plastikteller. Die Trommler legen erschöpft und verschwitzt ihre Trommeln ab, einer outet sich als „glühender Metaller“.

"Es ist den Arbeitgeber nicht verboten, klüger zu werden"

Auf der Lastwagenbühne greift der Münsteraner IG Metall-Bevollmächtigte Jürgen Schmidt als erster zum Mikrofon: „Es geht hier nicht um irgendwen, es geht um 100.000 Beschäftigte der Textil- und Bekleidungsindustrie in Westdeutschland“, ruft er. Den Arbeitgebern rät er, ihre „Null-Komma-nix-Haltung“ aufzugeben; es sei „nicht verboten, klüger zu werden“. Die IG Metall fordert 5 Prozent mehr Geld, bis Verhandlungsbeginn haben die Arbeitgeber kein Angebot gemacht.

IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler meint auch die Textilarbeitgeber, als er ruft: „Wer sich nicht bewegt, wird von uns bewegt.“ Die Tarifforderung der IG Metall sei „ein Angebot, die Branche für junge Menschen attraktiver zu machen“. Der private Konsum sei die Stütze der Konjunktur. „Wie soll die Wirtschaft in Schwung kommen, wenn Tariferhöhungen ausbleiben und nicht groß konsumiert werden kann?“

IG Metall-Verhandlungsführer Manfred Menningen wirft den Arbeitgebern vor, süchtig nach schlechten Nachrichten zu sein. Er liefert gute: Niedrige Arbeitslosenquote, Exportrekord, mehr Produktion und Umsatz bei Textil – „und das nicht, weil ihr im Wachkoma seid, sondern weil ihr mehr Stress habt“. Der Ball liege jetzt auf dem Elfmeterpunkt. „Wenn die Arbeitgeber nicht können – wir können mehr.“

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