"...dann läuten wir die sechste Jahreszeit ein"
Von Bocholt bis Velbert – in 133 Betrieben legten 17 000 Beschäftigte der Metallindustrie in NRW die Arbeit nieder und demonstrierten für ihre Tarifforderungen. In Düsseldorf sagte IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler, die Zukunft der Industrie könne „nicht ohne vernünftige Regelungen zu Weiterbildung und Altersteilzeit gestaltet werden“.
In Gevelsberg, auf dem Vendomer Platz, begründete IG Metall-Bezirkssekretär Robert Fuß die Forderung nach Zeit und Geld für Weiterbildung. Bildung sei „Zukunft“, rief er. Und die dürfe „nicht davon abhängen, ob jemand reiche Eltern hat oder einen wohlwollenden Arbeitgeber“. Seine Zuhörer kamen aus rund 20 Betrieben – von ABC bis O&K.
Den Widerstand der Arbeitgeber gegen eine neue Altersteilzeit erklärte Robert Fuß so: „Die Arbeitgeber haben immer noch nicht ihren Frieden damit gemacht, dass die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren Gesetz geworden ist. Deshalb wollen sie jetzt die Altersteilzeit beschränken. Wenn es nach ihnen geht, sollen nur noch die Beschäftigten in Altersteilzeit, die sie sonst wegen des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Beschäftigte nicht loswerden.“ Die IG Metall hingegen wolle „die Altersteilzeit ausbauen und verbessern“.
Eine gute Begründung für die Forderung nach 5,5 Prozent mehr Geld hatte Fuß auch auf Lager: "Wir horten das Geld nicht und wir spekulieren auch nicht damit – wir geben es aus. Das ist gut für die Konjunktur."
"Kommen Sie mal ins Personalbüro und machen Sie sich frei"
Auf dem Marktplatz der Alten Hansestadt Lemgo – vor der malerischen Kulisse spätmittelalterlicher Bauwerke – drängen sich Metaller und Metallerinnen, Beschäftigte von Phoenix Contact, Weidmüller, Isringhausen und aus 29 weiteren Betrieben.
Einen „Witz“ nennt Robert Chwalek, Betriebsratsvorsitzender von Weidmüller, das Angebot der Arbeitgeber, Entgelte und Ausbildungsvergütungen um 2,2 Prozent zu erhöhen. Er verweist auf die Gewinne der Unternehmen. „Und wer hat sie erwirtschaftet? Wir!“ Chawlek steht auf der Ladefläche eines Lastwagens. Heftig kritisiert er die Absicht der Arbeitgeber, künftig alleine zu entscheiden, wer in Altersteilzeit gehen darf, nämlich nur der, der gesundheitlich angeschlagen ist: „Stell Euch vor, es heißt ‚Kommen Sie mal ins Personalbüro und machen Sie sich frei‘ – eine Unverschämtheit!“
Die Zahl der Anspruchsberechtigen von Altersteilzeit zu halbieren finden auch Junge nicht prickelnd. Eva Wolf, die Vorsitzende des Ortsjugendausschusses der IG Metall Detmold, sagt: „Ich will nicht, dass unsere Eltern mal sagen: ‚Die Kinder hüten? Geht nicht. Opa hat Nachtschicht.“
Die drei Tarifforderungen – mehr Geld, neue Alters- und Bildungsteilzeit – nennt der Detmolder IG Metall-Bevollmächtigte Erich Koch „richtig, notwendig und durchdacht“.
A wie Altersteilzeit, B wie Bildung und C wie Cash
Im 67 Kilometer entfernten Paderborn buchstabiert der IG Metall-Bevollmächtigte Melo Zanghi die Tarifforderungen der IG Metall: „A wie Altersteilzeit, B wie Bildung und C wie Cash – bares Geld!“ An der Entschlossenheit der Gewerkschaft und ihrer Mitglieder lässt er keinen Zweifel. Auf der Kundgebung vor der neugotischen Herz-Jesu-Kirche sagt Zanghi: Sollten die Arbeitgeber sich weiterhin einer Einigung am Verhandlungstisch verweigern, „dann läuten wir nach Karneval die sechste Jahreszeit ein: Urabstimmung und Streik!“