Vaillant-Aus: Wider alle Vernunft
Die Firma Vaillant würde vom Erhalt des Standorts Gelsenkirchen mehr profitieren als von dessen Schließung. Das rechnete heute der Betriebsrat vor.
Der Saal im IG Metall-Haus Gelsenkirchen ist voll besetzt, fast 150 Menschen sind am heutigen Samstagmorgen, 10 Uhr, gekommen: Beschäftigte von Vaillant, Betriebsräte und Gewerkschafter, Kommunalpolitiker, Landtags- und Bundestagsabgeordnete. Thema der fünfstündigen Veranstaltung: „Werksschließung? Es geht auch anders!“
Geplant ist, schon im Herbst mit der Schließung zu beginnen, sie soll im März 2018 abgeschlossen sein. 200 Beschäftigte würden arbeitslos. Dabei schreibt die Heizungsfirma schwarze Zahlen; und zwar seit 1874, dem Jahr ihrer Gründung.
Die Betriebsratsvorsitzende Yasemin Rosenau und Andreas Veres (Foto1) von der Beratungsgesellschaft PCG haben eine Power-Point-Präsentation vorbereitet. Auf sieben Folien stellen sie die wichtigsten Argumente für den Erhalt des Standorts vor.
Was alles für Gelsenkirchen spricht
Für Gelsenkirchen spricht die zentrale Lage – im Vergleich zu Trencin in der Slowakei (dorthin soll die Rohr- und Ersatzteilfertigung) und im Vergleich zu Nantes im Westen Frankreichs (dorthin soll die Produktion der Sonnenkollektoren). Zudem bezieht Vaillant Rohre von Fremdfirmen; diese ausgelagerte Produktion – ein Drittel der gesamten Fertigung – könnte zurückgeholt werden. In Gelsenkirchen arbeiten Experten für Klein- und Mittelserien, dort – und nur dort – gibt es Spezialisten für Löttechnik.
Die Produktion von Sonnenkollektoren in Gelsenkirchen ist günstiger als in Nantes, sie kostet in Frankreich ein Drittel mehr. Trotzdem soll Nantes mit Übernahme der Gelsenkirchener Produktion das 2,5-Fache seiner jetzigen Kapazität stemmen. Nebenbei: Die in Gelsenkirchen gefertigten Rohre wandern direkt in die Solarproduktion, sie verlassen das Werk nicht. Aber Trencin (Rohrproduktion) und Nantes (Solarfertigung) sind 1735 Kilometer voneinander entfernt.
In Sachen Ersatzteile ist in Gelsenkirchen wertvolles Erfahrungswissen vorhanden, das nicht ins Ausland verlagert oder dort in Kürze erworben werden kann. Die Belegschaft produziert 3425 verschiedene Teile, sogar mit Losgröße 1. Übrigens ergänzen sich Sonnenkollektoren und Ersatzteile produktionstechnisch: Wenn Solar Konjunktur hat, sieht’s mit den Ersatzteilen nicht gut aus – und umgekehrt. Als Vaillant 2014 darüber nachdachte, die Ersatzteil-Produktion zu zentralisieren, kam heraus, dass Gelsenkirchen der ideale Ort wäre.
Um diesen Standort buchstäblich plattmachen zu können, müsste Vaillant ein paar Millionen Euro in die Hand nehmen; die Sozialplankosten nicht mitgezählt. Noch viel mehr kosten die geplanten Investitionen in der Slowakei. Anders ausgedrückt: Die Firma könnte weit über 20 Millionen Euro sparen.
Alle Argumente vom Tisch gewischt
Doch die Manager, mit denen der Betriebsrat verhandelt, wischen diese Argumente vom Tisch. Ihr Glaubenssatz lautet: Jeder Beschäftigte in der Slowakei ist 40.000 Euro im Jahr billiger als hierzulande. Doch von Betriebswirtschaft verstehen die Herren wenig, die meisten sind Juristen. Am 8. April, in der nächsten Sozialplanverhandlung, wollen sie Stellung beziehen zu den Alternativplänen des Betriebsrats.
Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Heinz Bontrup (Foto 4) glaubt das Ergebnis schon zu kennen. „Man kann rechnen wie man will, am Ende interessiert das nicht“, sagt er. „Es geht um das Machtdiktat, um nichts anderes!“
„Gute Argumente reichen nicht“, sagt der Gelsenkirchener IG Metall-Bevollmächtigte Robert Sadowsky (Foto 6). Zur Macht des Arguments müsse „die Macht der Solidarität“ hinzukommen. Wie das geht, zeigt Willi Ranft (Foto 8), der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Bosch Thermotechnik (früher Buderus). Er kommt aus Lollar bei Gießen, ist mehr als 200 Kilometer gefahren, um in Gelsenkirchen zu sagen: „Ja, wir sind Konkurrenten. Aber auch Menschen und Kollegen.“ Neben ihm sitzt ein Kollege von Viessmann, auch er trägt den Button „Vaillant Schließung stoppen!“
Alle Vaillant-Betriebsräte für den Erhalt von Gelsenkirchen
IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler (Foto 9), der schon an der ersten Demo gegen die Schließungspläne am 19. Dezember teilgenommen hat, zollt der Belegschaft Respekt: „Ich ziehe den Hut vor Euch.“ Giesler lobt die Stellungnahme der Betriebsräte-Vollkonferenz von Vaillant vom 3. März. Die Betriebsräte erinnern an die Unternehmensgrundsätze „Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Mitarbeitern“. Und schreiben: „Dazu würde es nicht passen, wenn das Werk in Gelsenkirchen geschlossen wird, weil man sich davon höhere Renditen verspricht.“
Auf Vorschlag von Robert Sadowsky fordert die Versammlung in Gelsenkirchen die Abgeordneten in Land und Bund auf, „die Beschäftigten von Vaillant im Kampf gegen Werksschließung und Verlagerung von Arbeit zu unterstützen“.
Ulrich Eckelmann (Foto 10), der Generalsekretär von Industriall, dem Dachverband der europäischen Industriegewerkschaften, sagt: „Es kann nur eine politische Antwort auf die geplante Werksschließung geben, und die habt Ihr schon gefunden: Dagegen Protest zu organisieren. Wir unterstützen Euch dabei!“