Giesler: Wir müssen die Treiber für Innovationen werden
Rund 70 Betriebsräte aus Betrieben der Automobil- und Automobilzuliefererindustrie setzten sich auf der Branchenkonferenz der IG Metall NRW mit dem Schwerpunkt „Standortperspektiven der Produktionswerke in der Automobilzuliefererindustrie“ auseinander.
Auch wurde eingehend diskutiert welche möglichen Auswirkungen die Elektromobilität auf die Beschäftigung hat. Ziel von IG Metall und Betriebsräten ist es frühzeitig die anstehenden Veränderungen der Automobilität zu begleiten und zu unterstützen sowie Beschäftigung am Standort Nordrhein-Westfalen zu sichern.
Um noch einmal die Wichtigkeit und die Potenziale der Automobilindustrie aufzuzeigen, startete IG Metall NRW Bezirkssekretär Thomas Weilbier (Foto 2) zu Beginn mit einer Abfrage. Dabei wurde allen Teilnehmenden noch einmal die Bedeutung der Branche klar: In der deutschen Automobilindustrie arbeiten insgesamt rund 814.000 Menschen, davon rund ein Drittel in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2015 lag der Absatz von PKW weltweit bei 75 Millionen, für 2020 ist er bereits auf 89 Millionen Stück prognostiziert. Damit wird deutlich Nordrhein-Westfalen ist und bleibt ein Autoland. Das Auto ist ein Zukunftsprodukt mit hohen Wachstumspotenzialen.
IG Metall NRW Bezirksleiter Knut Giesler (Foto 1) stellte den 5-Punkte Plan der IG Metall Nordrhein-Westfalen vor, um die anstehende Veränderungen in der Branche gemeinsam mit Betriebsräten und Belegschaft zu begleiten. Dabei wies Giesler auch noch einmal auf mögliche Gefahren hin. So bestehe die Möglichkeit, dass der Beschäftigungsaufbau vor allem in Asien stattfinde und Europa nicht vom prognostizierten wachsenden Absatz in der Branche profitieren könne. Auch die Qualifikationsprofile änderten sich mit dem Einzug neuer Technologien rasant. Das seien nur einige Punkte bei denen IG Metall und Betriebsräte gefordert seien, möglichst frühzeitig Prozesse anzustoßen und zu begleiten.
Ralf Löckener (Foto 5) von der Beratungsfirma Sustain Consult berichtete über seine Erfahrungen und Eindrücke aus einem durch die Hans-Böckler Stiftung gefördertem Projekt zu dem Thema Zukunft der Automobilindustrie. So stellte er fest, dass die Mehrheit der mittelständisches Unternehmen aus der Automobilzuliefererindustrie bereits ein europaweites Produktionsnetzwerk aufgebaut haben. Beim Vergleich der Standorte eines solches Unternehmen geht es nach Löckener momentan nicht mehr um Verlagerungswellen, sondern vielmehr darum welches Werk in diesem Netzwerk welchen Auftrag erhalte. Gerade die Werke in Mittel- und Osteuropa seien mittlerweile auf einem sehr hohen Standard und viele könnten in der gleichen Qualität wie die deutschen Werke ihre Produkte herstellen. Die Standortvorteile die Löckener für Deutschland nennt, fokussieren sich hauptsächlich auf zwei Punkte zum einen den Transportkostenvorteil für großvolumige Teile durch die Nähe zu den OEMs sowie die Innovationsbeiträge. So fände beispielsweise der Anlauf neue Produkte weiterhin schwerpunktmäßig in Deutschland statt. Auch Dr. Martin Schwarz-Kocher (Foto 7) von der IMU Institut GmbH rät Betriebsräten, bezogen auf die weitere Zunahme der Elektromobilität, sich frühzeitig einzumischen und eine schlüssige Strategie zu entwickeln. Schwarz-Kocher betonte, dass die deutschen Werke eine Innovationsrolle einnehmen und sich auf die eigenen Stärken besinnen sollten.
Einen etwas anderen Blickwinkel auf das Thema gab Marcus Bentfeld (Foto 8), Sekretär des Gesamtbetriebrats der Ford Werke GmbH, der die Herausforderungen des automobilen Wandels aus OEM-Sicht erläuterte. So sei es beispielsweise besonders schwierig den richtigen Zeitpunkt auszumachen, um Investitionen für Veränderungsprozesse zu tätigen. Diese Ungewissheit könnte sich dann auch auf die Zuliefererbetriebe auswirken. Auch IG Metall Sekretär Thomas Weilbier führte noch einmal aus, dass auch für die Beschäftigung bei den OEMs Unsicherheiten bestehen, was den Wandel in der Branche angeht. So bedeute es nicht, dass nur weil in einem Werk ein bestimmtes Modell gebaut werde, das E-Modell dort zwangsläufig auch gebaut werden wird.
Was Standortsicherung durch Innovation für Automobilzuliefererbetriebe in Nordrhein-Westfalen bedeuten kann, stellte Inger Korflür von der Beratungsfirma Sustain Consult vor. So betonte Korflür, dass der Vorteil der deutschen Standorte oft der starke Blick auf die Produktion sei. Neue Produktionsverfahren würden auch neue Produkte mitsichbringen. Zusammengefasst: Aus der Produktion entsteht die Stärke. Bei Thomas van Aart und Thorsten Wottrich (Foto 9), zwei Betriebsräte die Veränderungsprozesse in ihren Betrieben begleitet haben, stachen drei wichtige Aspekte bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen besonders heraus: 1. Die Belegschaft muss als Einheit auftreten, 2. Alle Beschäftigten müssen beteiligungsorientiert in die Prozesse eingebunden werden, 3. Betriebsräte müssen ein eigenes Konzept zur Gestaltung des Veränderungsprozesses in der Tasche haben. Im Anschluss führte Dr. Perizat Dagloglu von der Goldradt GmbH aus, welche Punkte aus ihrer Sicht wichtig sind, um einen Veränderungsprozess in einem Betrieb erfolgreich zu begleiten: So sollte man vor allem unterschiedliche Haltungen sehen und würdigen sowie fair kommunizieren.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion an der unter anderem IG Metall NRW Bezirksleiter Knut Giesler und Dr. Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer von Metall NRW teilnahmen, machte Giesler noch einmal klar: „Wir müssen die Treiber für Innovationen werden und Prozesse anstoßen. Wir brauchen planerische Sicherheit auch was politische Entscheidungen angeht, aber wir dürfen uns nicht auf die Politik verlassen, sondern müssen auf unsere eigenen Stärken schauen. Betriebsräte und IG Metall müssen sich für jeden einzelnen Betrieb überlegen, was könnte das Geschäftsmodell dieses Betriebs in zehn Jahren sein. Nur so ließen sich tarifvertragliche Abweichungen und Beschäftigungsabbau in Zukunft eindämmen.“