NRW-Minister warnt Thyssen-Vorstand
NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hat sich namens der Landesregierung mit den Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel solidarisch erklärt.
3. Mai, Duisburg-Hüttenheim: Die Mannesmannstraße ist auf mehreren hundert Metern von Bussen gesäumt – zu beiden Seiten. Auf dem großen Parkplatz vor dem Stahlwerk von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) hier im Duisburger Süden stehen schätzungsweise 7500 Menschen. Es ist die größte Protestkundgebung ihrer Art seit Jahrzehnten.
„Ein Danke, Danke, Danke an Euch!“, ruft Dieter Lieske, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Duisburg-Dinslaken. Er steht vorn auf der schwarzen Bühne, die so groß ist wie ein kleines Einfamilienhaus. Auf einem Transparent steht die Losung „Wir mit Dir – Für Zukunft und Beschäftigung“.
Beides will der Thyssenkrupp rund 4000 Beschäftigten nehmen, befürchtet die IG Metall. So viele Arbeitsplätze sieht sie gefährdet. Der Konzernvorstand hat kundgetan, 500 Millionen Euro einsparen zu wollen – durch Arbeitsplatzabbau und Schließung von Anlagen.
Das hat die Beschäftigen aller TKSE-Standorte alarmiert; alle sind da. Aber auch Beschäftigte anderer Stahlfirmen: von den Deutschen Edelstahlwerken in Siegen, von Vallourec in Düsseldorf und Mülheim, von Outokumpu in Krefeld, den Hüttenwerken Krupp Mannesmann in Duisburg, sogar die Salzgitter-Gruppe aus Niedersachsen ist vertreten. Neben Lokal-, Landes- und Bundespolitikern, Vertreter des DGB, der IG BAU, der IG BCE und von Verdi...
Um 12 Uhr hallen dumpfe Glockenschläge über den Platz. Links und rechts der Bühne hängen je 16 Lautsprecher.
Hauptredner ist Detlef Wetzel, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von TKSE und frühere 1. Vorsitzende der IG Metall. Offiziell, sagt er, seien nur zwei Standorte betroffen (Hüttenheim und Bochum). Denn der Vorstand wolle die Unruhe in Grenzen halten. Diesen Plan durchkreuze die IG Metall. Wetzel wirft dem Konzernvorstand vor, die Stahlsparte „schlechtgeredet“ zu haben; dabei sei TKSE „genauso profitabel“ wie andere Unternehmen der Branche. Und ein Gewinnbringer. „Der größte Wertevernichter ist der Vorstand“, weil er fast 100 Millionen Euro Gewinn wegen Planungsfehler nicht gemacht habe.
Eindringlich warnt Wetzel vor einer Fusion von TKSE mit dem indischen Stahlhersteller Tata Steel. Zwei Drittel aller Fusionen gingen schief – und das sei auch im Falle von TKSE und Tata zu befürchten. Er hoffe, dass die Restrukturierung des Konzerns „nicht auf den Trümmern des Stahlbereichs vollzogen wird“.
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD, Foto 6) erinnert an den Kampf um den Stahlstandort Rheinhausen vor 30 Jahren. Und fordert vom Konzernvorstand, „Werke und Arbeitsplätze zu erhalten“. Sein Amtsbruder aus Dortmund, Ullrich Sierau (SPD, Foto 7), sagt: „Ohne Stahl hat die Region keine Zukunft!“
Der Hüttenheimer Betriebsratsvorsitzende Werner von Häfen (Foto 8) ruft: „Wir werden unsere Arbeitsplätze nicht kampflos opfern!“ Zumal sich mit Stahl „wieder Geld verdienen“ lasse – vorausgesetzt, man investiere frühzeitig „statt Investoren zufriedenzustellen“. Jugendvertreter Burak Ordukaya (Foto 9) zitiert das Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet“. Und fordert den TKSE-Vorstand auf, „kommt Eurer Verpflichtung nach, spielt nicht mit der Zukunft der Jugend!“
IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler (Foto 10) erinnert daran, dass die Belegschaft mit der 31-Stunden-Woche und Lohnverzicht „bereits ihren Beitrag zum Erhalt des Konzerns geleistet hat“. Tata Steel sei „kein verlässlicher Partner“, sondern „ein hoch verschuldetes Unternehmen“. Eine Fusion gefährde „nur noch mehr Arbeitsplätze“.
Günter Back (Foto 12), der Gesamtbetriebsratsvorsitzende, wirft Konzernchef Heinrich Hiesinger vor, die Stahlsparte werden „aus dem Konzern rausgequasselt“. Man habe das brasilianische Stahlwerk CSA für nur 1,5 statt wie geplant 2,4 Milliarden Euro verkauft. „Das macht eine Differenz von 900 Millionen Euro. Woher sollen die kommen? 500 von uns. Da machen wir nicht mit“, ruft Back. Er erinnert an die vereinbarte Beschäftigungsgarantie, die bis 2020 gilt – und wirft dem Vorstand Vertragsbruch vor, weil der die Beschäftigten „jetzt schon verunsichert“.
Er habe „die Rumeierei“ satt, ruft Back. „Wir wollen jetzt alles wissen!“
NRW-Regierung fordert Zukunftskonzept "mit Hand und Fuß"
Wirtschaftsminister Garrelt Duin (Foto 13) betont „die enge Solidarität“ zwischen Politik und Belegschaften. Die Landesregierung mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) an der Spitze stehe „im engen Austausch mit der IG Metall, den Betrieben und dem Unternehmen“. Duin fordert vom Thyssenkrupp-Vorstand „ein Zukunftskonzept mit Hand und Fuß“. Jetzt müssten „die Karten auf den Tisch!“
Wer ein Technologiekonzern sein wolle, sagt Duin, dürfe „auf Stahl nicht verzichten“. NRW sei „ohne Stahl nicht denkbar“. Wer den Standort stärken wolle, könne sich auf die Landesregierung verlassen, sagt der Minister – und dann folgt der Satz: „Wer im Dunkeln plant, kann sich auf unseren Widerstand verlassen!“
Der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann (Foto 15) wandelt das Mai-Motto leicht um: „Wir sind viele – Ihr seid nicht alleine!“ Ohne Stahl, sagt Hoffmann, habe der Industriestandort Deutschland keine Zukunft. Schlussredner nach eineinhalb Stunden ist Willi Segerath (Foto 16), der Konzernbetriebsratsvorsitzende: „Jetzt geht’s um Ganze!“ ruft er, „um den Erhalt von Thyssenkrupp Steel Europe – an allen Standorten!“