Seppelfricke wird bestreikt
Die IG Metall Gelsenkirchen bestreikt seit heute Morgen, 22. November, 6 Uhr, die Firma Seppelstricke Armaturen. Ziel ist ein Sozialtarifvertrag.
Im Industriegebiet von Gelsenkirchen-Heßler weht ein kalter Wind. Vor der Firma Seppelfricke hat die IG Metall ein rotes Zelt aufgestellt, hier gibt’s heißen Kaffee. Neben dem Zelt steht ein Bauwagen mit der Aufschrift „Örtliche Streikleitung“. Auf dem Transparent vor dem Firmeneingang ist der erste Teil des Wortes „Warnstreik“ durchgestrichen; jetzt steht da „Streik ist unser gutes Recht“.
Davon machen die meisten der 103 Beschäftigten Gebrauch, Produktion und Verwaltung stehen still. In Firma sei „nicht einmal eine Handvoll“ Beschäftigte unterwegs, sagt die Betriebsratsvorsitzende. Bei der Urabstimmung am 20. November haben 98,5 Prozent der IG Metall-Mitglieder für Streik gestimmt.
„Wir verlangen nichts Unmögliches“, erklärt die Betriebsratsvorsitzende Heidi Böhm. „Wir wollen nur das, was uns immer wieder versprochen worden ist: Nämlich dass der Standort erhalten bleibt und niemand entlassen wird oder weniger Geld verdient“. Das alles hat Seppelfrickes niederländischer Mutterkonzern Aalberts Industries (AI) längst zugesagt, sogar schriftlich – es steht seit 18. Oktober in einem Verhandlungsergebnis, das aber ist vom Konzern widerrufen worden.
Ähnliches ist vor drei Jahren geschehen: Seit Juli 2014 liegt ein Standortsicherungs-Tarifvertrag in der Schublade, der einerseits Zugeständnisse der Belegschaft vorsieht und andererseits Investitionszusagen der Geschäftsführung. Weil aber nicht investiert worden ist, ist auch der Tarifvertrag nicht in Kraft getreten.
Obwohl die Geschäftsführung beteuert, den Standort erhalten zu wollen, tut sie das Gegenteil: Sie lässt das fast 100-jährigen Unternehmen ausbluten. In der jüngsten Vergangenheit sei „nicht einmal das Nötigste“ investiert worden, sagt der Gelsenkirchener IG Metall-Bevollmächtigte Robert Sadowsky. Die neue Geschäftsführung deinvestiere sogar: Zwei sogenannte Rundtaktmaschinen zur Herstellung von Armaturen-Zubehör plus zwei Pressen wurden bereits an die Tochterfirma Pegler Yorkshire in Doncaster/England verkauft; eine ist schon abtransportiert worden, die übrigen sollen bis Mitte 2018 abtransportiert werden. „Das sind die größten, teuersten und profitabelsten Maschinen hier“, sagt Robert Sadowsky. Als sie angeschafft wurden, hieß es, „das ist unsere Zukunft“.
Die hat Seppelfricke dann hinter sich, wenn diese Maschinen in England stehen. Mit den Maschinen, die in Gelsenkirchen bleiben, können man „keinen Wettbewerb gewinnen“, sagt Heidi Böhm. Zwei Transparente verdeutlichen das Drama: „Maschinen raus bedeutet für SF das Aus“ steht auf dem einen, auf dem anderen: „Maschinen weg – bleibt übrig uns noch Dreck“.
Laut Geschäftsführung werden die Maschinen nur deshalb verlagert, weil sie nicht ausgelastet sind. Tatsächlich ist der Betrieb „voll ausgelastet“, sagt die Betriebsratsvorsitzende. Es müssten sogar erhebliche Rückstände aufgearbeitet werden. Außerdem schreibe man „bis dato keine roten Zahlen“.
Mit zwei Warnstreiks im Juli und einem Warnstreik Mitte November hat die Belegschaft Druck gemacht für einen Sozialtarifvertrag. Jedes Mal zog die Geschäftsführung deswegen vor Gericht, „jedes Mal hat uns das Gericht in allen Punkten Recht gegeben“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Heidi Böhm, „wir verstoßen gegen kein Gesetz“.
Die IG Metall hat die Beschäftigten aufgerufen, zwei Mal 24 Stunden zu streiken. Sollte die Geschäftsführung dann nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren, „rufen wir erneut zum Streik auf“, sagt Robert Sadowsky, „und der wird garantiert länger“.
Heidi Böhm arbeitet seit 1987 bei Seppelfricke. Damals zählte die Firma 1600 Beschäftigte. Nach dem Verkauf an Aalbert Industries ging’s bergab, „aber so schlimm wie jetzt“, sagt Heidi Böhm, „war’s noch nie!“