Giesler kritisiert Landesregierung
IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler hat der schwarz-gelben Landesregierung wirtschaftspolitische Untätigkeit vorgeworfen.
Düsseldorf, 1. Mai, 11 Uhr: Beschwingt setzt sich der bunte Demo-Zug am Gewerkschaftshaus Friedrich-Ebert-Straße in Bewegung – den Marschrhythmus geben die Trommler von Hora de Samba vor. Die Sonne scheint, die Fahnen flattern, es weht ein kühler Wind; die Wetter-App zeigt 10 Grad an. Wir ziehen Richtung Altstadt, über die „Kö“ (Königsallee) zum Johannes-Rau-Platz im Schatten des Fernsehturms am Mannesmannufer, den wir nach gut einer Stunde erreichen.
Jemand hat der Bronzeplastik von Rau eine IG Metall-Fahne an die rechte Hand gebunden. Der Duft von Fleischspießen, Bratwürsten und Hähnchenkeulen zielt über den Platz. Neben türkischen Köchen sind auch afrikanische vertreten; es gibt Amadan (frittierte Kochbananen), das Reisgericht Dafaduka und Couscous: auch Streuselkuchen und Kaffee, Wasser, Cola und Bier. Die DGB-Gewerkschaften haben wetterfeste Stände und Zelte aufgeschlagen; auf dem Rasen am Rheinufer entwickelt sich ein quirliges Treiben, tausenden Menschen kommen und gehen.
Vorn auf der großen, zehn Meter breiten Bühne wirbt Sigrid „Siggi“ Wolf für Zivilcourage gegen Rechts: Die Düsseldorfer DGB-Vorsitzende lobt den Verdi-Kollegen Kaspar Michels, der vor Beginn einer Podiumsdiskussion im Landtagswahlkampf 2017 gegen die Teilnahme der AfD protestiert hatte – und wegen dieser angeblich nicht angemeldeten Demonstration 600 Euro Strafe zahlen soll. An vielen Ständen lagen Unterschriftenlisten zur Unterstützung von Michels aus: „In Düsseldorf ist kein Platz für Rassismus: Zivilcourage darf nicht bestraft werden!“
Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) kritisiert die AfD indirekt. In Düsseldorf, sagt er, spiele es keine Rolle, „wo jemand her kommt“.
Hauptredner Knut Giesler attackiert die AfD heftig. Sie stehe für Privatisierung, Sozialabbau und den Rückzug des Staates aus der Marktwirtschaft. Davon profitierten bloß Besserverdienende und Vermögende. Dass die AfD so tue, als vertrete sie die Interessen der sogenannten kleinen Leute, sei verlogen, sagt der IG Metall-Bezirksleiter. Und in noch einem Punkt trennt ein tiefer Graben die Gewerkschaften und die AfD: „Wir stehen für Toleranz und Weltoffenheit – sie für Menschenverachtung“, sagt Knut Giesler. „Diese Partei ist für einen Gewerkschafter nicht wählbar.“
Giesler knöpft sich auch die Arbeitgeberverbände, die Bundes- und die Landesregierung vor. Die Verbände versuchten beharrlich, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern, sagt er: „Sie wollen den Achtstundentag knacken.“ Die Koalition von Union und SPD in Berlin biete den Arbeitgebern dafür sogenannte Experimentierräume – gemeint ist eine Öffnungsklausel im Gesetz, um die Arbeitszeiten zu verlängern.
Auch die Landesregierung wolle das Arbeitszeitgesetz aufweichen. Sie hat eine Bundesratsinitiative gestartet mit dem Ziel, dass künftig nur noch die EU-Arbeitszeitrichtlinie gilt. Sie sieht eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vor, Vorgaben zur täglichen Arbeitszeit kennt sie nicht. Viel Applaus kassiert Giesler für den Satz: „Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!“
Wütend macht Giesler das Credo der Landesregierung, „Politik mischt sich nicht in Unternehmensentscheidungen ein.“ Doch, genau das wollten die Gewerkschaften – zugunsten der Beschäftigten, die von Personalabbau und Firmenschließungen betroffen seien. Der Maßstab für gute Wirtschaftspolitik sei „Gestaltung“, nicht Entfesselung. Damit spielt Giesler auf das sogenannte Entfesselungsgesetz der schwarz-gelben NRW-Regierung an, das eine Verschlechterung des Tariftreue- und Vergabegesetzes vorsieht und eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten.