Laschet lobt die Mitbestimmung
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die Mitbestimmung ungewöhnlich deutlich gelobt. Er sprach auf der IG Metall-Bezirkskonferenz.
„Die Unternehmer können dafür dankbar sein, dass es die Mitbestimmung gibt“, sagte Laschet vor den 230 Delegierten und Gästen der 22. ordentlichen Bezirkskonferenz der nordrhein-westfälischen IG Metall heute in Düsseldorf. Der Ministerpräsident bezog sich dabei ausdrücklich auf das Beispiel Thyssen-Krupp. Der Vorstandsvorsitzende und der Aufsichtsratsvorsitzende dieses Industriekonzerns mit weltweit 160.000 beschäftigen haben im Juli völlig überraschend kurz hintereinander ihre Ämter niedergelegt. Beide vermissten Rückhalt im Aufsichtsrat, obwohl dort gerade mehrheitlich der Zusammenschluss von Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE) mit Tata Steel Europe beschlossen worden war.
Laschet verhehlte sein Unverständnis nicht – und drückte der IG Metall seine Anerkennung dafür aus, dass sie in dieser außergewöhnlichen Situation die Verantwortung für Thyssen-Krupp übernommen hat: Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende – der IG Metall-Sekretär Markus Grolms – hat am 1. August die Aufgaben des Aufsichtsratsvorsitzenden übernommen: ein einmaliger Fall in der 207-jährigen Geschichte des Unternehmens.
Zu Beginn seiner Rede legte der Ministerpräsident ein Bekenntnis zur Industriepolitik ab: „Wir wollen Industrieland sein!“ Dann erinnerte Laschet an die gewerkschaftliche Initiative „Mach meinen Kumpel nicht an“. Er sagte, Nordrhein-Westfalen sei auch „deshalb so stark, weil es uns nicht darauf ankommt, woher jemand kommt, sondern darauf, dass wir uns aufeinander verlassen können.“
Der Ministerpräsident begrüßte die Zuwanderung von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt; sie allein werde aber dessen Probleme nicht lösen. Notwendig sei auch ein „Bündnis für Qualifizierung“.
Genau das hatte kurz zuvor IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler zur Eröffnung der Bezirkskonferenz gefordert. Giesler bezog sich damit auf eine aktuelle Betriebsrätebefragung der IG Metall NRW, an der im Juli/August 828 Betriebsratsvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende teilgenommen haben. Danach stehen 56 Prozent der Industriebetriebe unter einem „erheblichen Veränderungsdruck“, nicht zuletzt wegen der Digitalisierung der Produktion, sagte Giesler. Das Schreckensszenario, wonach Industrie 4.0 überwiegend Arbeitsplätze vernichte, bestätigen die Befragungsergebnisse nicht. Im Gegenteil. In 41 Prozent der Betriebe gelingt es, neue Arbeitsplätze zu schaffen. 35 Prozent der Betriebe reduzieren Arbeitsplätze. In zwölf Prozent der Betriebe findet beides statt.
Unbestritten ist, dass die Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten steigen. 45 Prozent der befragten Betriebsräte bestätigen das. Gleichzeitig werden aber nur in 19 Prozent der Betriebe die Qualifizierungsangebote erweitert.
Der Umbruch in der Arbeitswelt löst Ängste bei den Betroffenen aus, berichtete Giesler. In 82 Prozent der Betriebe beklagen Betriebsräte psychische Belastungen als Folge von Digitalisierung und Globalisierung. „Wir brauchen ein Bündnis für Qualifizierung und wir brauche eine Anti-Stressverordnung“, sagte Giesler. Der Bezirksleiter verglich die Probleme, die der Umbruch in den Betrieben verursache, mit denen, die zur Bewältigung der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 gelöst werden mussten!
Die IG Metall will den Umbruch in den Betrieben in einen Aufbruch verwandeln. Die Delegierten beschlossen den Antrag „Wir gestalten die Zukunft: offen, gemeinsam, sicher“. Damit startet die IG Metall in Nordrhein-Westfalen die „Offensive Arbeit 2025“. Sie hat zum Ziel, die Betriebe auf die neuen Anforderungen von Digitalisierung und Globalisierung vorzubereiten.
Der IG Metall-Bezirksleiter sagte, die Düsseldorfer Landesregierung von CDU und FDP sei „unser erster und wichtigster Ansprechpartner“. Anfangs habe es zwischen beiden „geruckelt“, jetzt sei das Verhältnis aber „deutlich besser“.
Knut Giesler äußerte sich auch zu den Vorfällen in Chemnitz, wo nach dem Tod eines Deutsch-Kubaners „Rechtsextreme, Faschisten und Neonazis“ Jagd auf Geflüchtete und politisch Andersdenkende gemacht haben. Er warnte davor, diese Ereignisse als sächsisches Problem abzutun, „auch in NRW gibt es Hochburgen der AfD“. Jetzt gelte es, „klare Kante“ zu zeigen, sagt Giesler unter großem Beifall der Konferenzteilnehmer: „Wir sind mehr!“
Unter Anspielung auf die Nazi-Herrschaft von 1933 bis 1945 sagte Giesler: „Ich trage keine Verantwortung dafür – aber dafür, dass das nicht noch einmal passiert!“ Heftig kritisierte Giesler den Bundesinnenminister. Horst Seehofer hatte die Migration als „Mutter aller Probleme“ bezeichnet. Das sei „eine Verhöhnung“ von Millionen Migranten in Deutschland. Giesler empfahl Seehofer zurückzutreten.