Die Zeit drängt
Die Beschäftigten von Thyssen-Krupp bangen um ihre Zukunft. 3000 demonstrieren in Düsseldorf und fordern einen Staatseinstieg bei dem schlingernden Unternehmen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verspricht Hilfen.
Sie kommen in 127 Bussen aus Duisburg, Gelsenkirchen, Finnentrop, Siegen – aus den Werken und von den Standorten von Thyssenkrupp in ganz Nordrhein-Westfalen. Sie sorgen sich um ihre Existenz. Sie versammeln sich in der Landeshauptstadt, am Rheinufer gegenüber der Staatskanzlei, dort wo Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) seinen Amtssitz hat. Sie rufen „Stahl ist Zukunft“. Sie fordern einen Staatseinstieg bei dem Stahlhersteller, der gefährlich ins Trudeln gekommen ist. Es geht um 27.000 Arbeitsplätze, die direkt bedroht sind, und um weitere 150.000 Arbeitsplätze, die am Stahl in Nordrhein-Westfalen hängen. „Es stehen Schicksale auf dem Spiel“, sagte Tekin Nasikkol, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Thyssenkrupp Steel.
Die Thyssenkrupp-Belegschaft hat leidvolle Jahre hinter sich. „Die Manager haben versagt“, erläutert Nasikkol. Zuletzt hatte das Unternehmen aber hoffnungsvolle Signale ausgesendet: Die IG Metall konnte einen Zukunftstarifvertrag abschließen, 800 Millionen Euro Investitionen waren versprochen, es geht um den Umstieg auf die Produktion von grünem Stahl. Dann kam Corona – und hinterließ heftige Spuren. Die Mutter des Stahlherstellers, die Thyssenkrupp AG, „kann nicht mehr“, sagt Nasikkol. „Und wenn die Mutter nicht mehr kann, muss der Vater ran.“ Vater Staatmüsse sich bekennen, Ministerpräsident Laschet zeigen, dass er „der erste Stahlmann“ des Landes sei. Es gehe um eine Schlüsselindustrie. „Ohne Stahl gibt es keine Autos, gibt es keine Züge, gibt es keine Busse, keine Schiffe, keine Windräder, und deshalb muss Stahl bleiben.“
Ministerpräsident Laschet spricht zu den Stahlbeschäftigten und bekennt sich ausdrücklich zum Stahl. „Thyssenkrupp gehört zur DNA von Nordrhein-Westfalen“, sagt er. „Stahl ist systemrelevant.“ Der Ministerpräsident verspricht Hilfen beim Übergang zu einer klimafreundlichen Stahlproduktion. Dafür braucht das Unternehmen Geld, und „dieses Geld wird bereitstehen“, sagt der Ministerpräsident. „Wir werden helfen.“ Auf einen Einstieg des Staates legt er sich freilich nicht fest.
Ob das reicht? Die IG Metall sagt: nein. „Ohne Staatseinstieg wird es nicht zu schaffen sein“, sagt Jürgen Kerner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und Mitglied im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG. „Wir brauchen den Staatseinstieg, und zwar jetzt.“ Sonst könnte es schnell zu spät sein. „Wer die Lufthansa rettet, wer Tui rettet, der muss auch die Basis der deutschen Industrie retten“, sagt er.
Die Zeit drängt, zumal Thyssenkrupp gerade noch von anderer Seite unter Druck gekommen. Der englische Konzern Liberty Steel bietet für das Unternehmen. Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW, warnt: „Jetzt ist genau das passiert, was wir nicht wollen. Thyssenkrupp droht zur Ramschware im Ein-Euro-Laden zu werden“, sagt er. „Das müssen wir verhindern.“ Der Staat ist gefordert.