Politik soll sich an Entfristung ein Beispiel nehmen
Das Verhandlungsergebnis für die nordwestdeutsche Stahlindustrie von gestern hat ein positives Echo in der Presse gefunden. Andere Branchen würden das Lohnplus von 3,8 Prozent "wohl nicht toppen können", schreibt der Kölner Stadt-Anzeiger.
Laut Süddeutscher Zeitung haben die Stahlarbeiter "wieder einen riesigen Erfolg erzielt". Nicht nur, dass die IG Metall 3,8 Prozent für sie herausgeschlagen habe, heißt es im Kommentar, "sondern in der Stahlindustrie wird künftig jeder Azubi grundsätzlich unbefristet übernommen." 2010 habe die IG Metall die gleiche Bezahlung von Leiharbeitern durchgesetzt; bald wisse man, ob "auch" die Übernahme-Regelung "anderswo sinnvoll ist".
Die Osnabrücker Zeitung sieht "zwei Gewinner": Die Beschäftigten, weil "auch unter Berücksichtigung der Inflationsrate noch ein Plus übrig" bleibe. Und die Stahlindustrie selbst; sie habe Planungssicherheit gewonnen und im Kampf um qualifizierte junge Leute jetzt die Nase vorn. Am Ende des Kommentar taucht ein dritter Gewinner auf: "Wichtig für die Gesellschaft ist, dass hier Beitragszahler für die Sozialkassen heranwachsen, die durch ihren festen Job das Solidaritätsprinzip aufrechterhalten."
"Mehr Sicherheit ist möglich", hat der Kölner Stadt-Anzeiger erkannt. Und stellt in Frage, ob das Arbeitsrecht nicht korrigiert werden müsse, das zweijährige Befristungen von Arbeitsverhältnissen ohne Begründung zulässt. Das Blatt erpfiehlt der Politik, mal darüber nachzudenken, ob sie mit der Liberalisierung des Arbeitsmarktes nicht zu weit gegangen sei. Wenn Stahlunternehmen ihren Ausgebildeten mehr Sicherheit böten, "müsste dies in anderen Firmen auch möglich sein". Die Gewerkschaften würden versuchen, das auch anderswo durchzusetzen. "Die Politik sollte überlegen, ob sie diese Arbeit nicht lieber selbst macht."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meint, der 3,8-Prozent-Abschluss sei "angesichts der düsteren Konjunkturaussichten ein hoher Abschluss, den zur Freude der IG Metall die unbefristete Azubi-Übernahme krönt".
In einer Reportage über die lange Verhandlungsnacht im Düsseldorfer Hilton schreibt WAZ-Redakteur Stefan Schulte, die Arbeitgeber seien vor Verhandlungsbeginn "schon bedient" gewesen: "Dieser Burkhard will man wieder ein Exempel statuieren. Letztes Jahr gleiche Bezahlung für Leiharbeiter, diesmal unbefristete Übernahme der Azubis."
Der nordrhein-westfälische IG Metall-Bezirksleiter mache aus Lohnrunden politische Grundsatzdebatten: "Wenn die Arbeitgeber über Fachkräftemangel klagen, sollen sie ihren Azubis eben was bieten."
In der Rheinischen Post heißt es, die IG Metall NRW habe "erneut" bewiesen, dass sie "innovative Forderungen" durchsetzen könne.
Die WAZ kommentiert: Jugendlichen eine Perspektive zu geben, helfe ihnen ihr Leben zu planen. "Mit der geballten Macht der IG Metall hat Burkhard dies in der Stahlindustrie durchgeboxt." Spannender werde sein, "ob ihm dies auch in der Metallindustrie gelingt".