Mitbestimmung rettet Arbeitsplätze
Mal gelingt es, eine Belegschaft mit Kurzarbeit in Lohn und Brot zu halten. Mal wird eine Produktion nicht nach Osteuropa verlagert. Mal diskutiert man mit dem Management jetzt schon darüber, was in 20 Jahren produziert werden kann. Die IG Metall Düsseldorf-Neuss präsentierte gestern Abend vor 130 Metallern und Gästen gute Beispiele gelebter Mitbestimmung.
Anlass der Veranstaltung im Weiterbildungszentrum der VHS Düsseldorf war das Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes vor 60 Jahren, am 14. November 1952.
In einem Punkt waren sich alle drei Gastredner einig: Sie würdigten die Arbeit der Arbeitnehmervertreter, von denen es im Organisationsbereich der IG Metall gut 75.000 gibt. Peter Donath, Bereichsleiter Betriebspolitik beim IG Metall-Vorstand in Frankfurt,sagte, dass es "manche Betriebe" nicht mehr gäbe, wenn Betriebsräte nicht rechtzeitig vor Gefahren gewarnt und geholfen hätten, sie abzuwenden. Donath dürfte untertrieben haben. Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Metall NRW, Luitwin Mallmann, nahm eine größere Zahl in den Mund: Er schätzte, dass seit Mitte der 1990er-Jahre "hunderttausende Arbeitsplätze" dank der Arbeit von Betriebsräten gerettet worden sind. Und Wilhelm Schäffer, Staatssekretär im Arbeitsministerium NRW, sagte: "Wo Mitbestimmung funktioniert, gibt es in aller Regel gute, faire Arbeit und ordentliche Löhne."
Rheinwerk lebt auf, Pierburg bleibt, Daimler denkt über morgen nach
Mehrere Betriebsräte präsentierten aktuelle Erfolge. So berichtete Ernst Schmumacher vom Rheinwerk Neuss, dass die Alu-Hütte am 1. Januar 2013 "wieder hochgefahren" wird. Den Betriebsräten dort ist es gelungen, die Belegschaft drei Jahre mit Kurzarbeit über Wasser zu halten. Und man habe "auf allen politischen Ebenen Klinken geputzt", sagte Schumacher. Man habe stets um einen wettbewerbsfähigen - nicht billigeren - Strompreis für die energieintensive Alu-Hütte gekämpft. Die IG Metall und die IG Bergbau-Chemie-Energie hätten als "Türöffner" geholfen. Letztlich habe alle Mühe den 750 Kolleginnen und Kollegen in Neuss gegolten, deren Arbeitsplätze gerettet werden konnten.
Von fast ebenso vielen geretteten Arbeitsplätzen berichtete Serdar Gökbayrak, Betriebsrat beim Automobilzulieferer Pierburg. Dank eines Tarifvertrags zur Standortsicherung, den die IG Metall NRW geschlossen hat, wird die Produktion in den Werken Nettetal bei Mönchengladbach (400 Arbeitsplätze) und Neuss (300 Arbeitsplätze) nicht nach Osteuropa verlagert. Vielmehr entsteht im Neusser Hafen eine neue Ventilfabrik plus Gießerei. Die Beschäftigten verzichten bis 2022 auf Teile vom Urlaubsgeld und erhalten dafür eine Beschäftigungsgarantie.
Die Betriebsräte von Daimler in Düsseldorf schauen sogar noch über das Jahr 2022 hinaus. Der Gesamtbetriebsrat habe die Beschäftigungswirkungen der Elektromobilität untersuchen lassen, berichtete Uwe Langer, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. "Darüber gibt es ja viele Spekulationen, und es kursieren auch bereits entliche Schauermärchen." Laut Untersuchung müsse jedoch die Beschäftigung durch die Elektrifizierung "nicht zwangsläufig zurückgehen", sagte Langner. Sie könne in den nächsten 20 Jahren sogar zunehmen. Man müsse allerdings bereits jetzt über die Produktion alternativer Antriebe nachdenken. Die Unternehmensleitung scheint das einzusehen. Die Gespräche mit ihr, sagte Langer, werden "im Herbst beginnen".