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21/02/2013

Beschäftigte protestieren gegen Rendite-Wahn

Gut 2000 Siemens-Beschäftigte haben heute allein in Bocholt gegen den Rendite-Wahn der Konzerleitung demonstriert. Siemens will bis 2014 sechs Milliarden Euro sparen und seine Margen um zwölf Prozent erhöhen. Deshalb hat die IG Metall bundesweit zum Aktionstag aufgerufen - Motto: "Ohne Menschen keine Marge."

Hans-Joachim Hebing lächelt. Der Bocholter IG Metall-Bevollmächtigte Bocholt beobachtet, wie sich der Platz vor der Siemens AG in der Alfred-Flender-Straße mehr und mehr füllt. Aus Bocholt selbst und den anderen Standorten - Friedrichsfeld-Voerde, Mussum und Vreden - kommen Siemensianer zur Kundgebung; trotz eisiger Kälte. Zehn Busse sind im Einsatz, zahlreiche Beschäftigte reisen mit dem eigenen Auto an. Hebing entdeckt unter ihnen "unglaublich viele Angestellte".

IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner, der auch dem Siemens-Aufsichtsrat angehört, stellt als erstes klar: "Dies ist kein Aktionstag gegen Siemens, sondern gegen den Renditewahn!"

Das Vorstandsprogramm "Siemens 2014", sagt Kerner, offenbare "puren Margenwahnsinn". Jeder Unternehmensbereich, jeder Standort und jede Division, die im nächsten Jahr die 12-Prozent-Marge nicht erreiche, sei bedroht.

Niemand sei gegen Kosteneffizienz; Sparprogramme sollten aber nicht gegen die Beschäftigten durchgesetzt werden, sondern mit ihnen. Um Arbeitsplätze sozialverträglich abzubauen, sei ein "beschäftigungspolitischer Notfallkoffer" notwendig: Gebraucht würden "lukrative Altersteilzeitmodelle, eine umfassende Qualifizierungsinitative, Ausstiegsprogramme für besonders belastete Beschäftigtengruppen".

Siemens agiert wie eine Heuschrecke

Der IG Metall-Bevollmächtigte Hans-Joachim Hebing ruft den Beschäftigten zu, er könne nicht akzeptieren, dass das Wohl der Aktionäre "wichtiger sein soll als eure Arbeitsplatzsicherheit". Margenziele von zwölf Prozent seien "nicht oder nur unter schweren Opfern zu erreichen". Gewinnmaximierung durch Personalabbau lehne die IG Metall ab. Kurzfristiges Renditedenken gefährde Investitionen und Innovationen - und damit die Zukunft des Technologie-Konzern.

Darunter würden die Auszubildenden besonders leiden, betont der Jugendvertreter Jürgen Bosse. Sie hofften, nach der Ausbildung in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernommen zu werden.

Der Betriebratsvorsitzende Andreas Wendland erinnert daran, was es bedeutet, wenn ein Unternehmen nur mit Blick auf schnelle Profite gemanagt wird, wie vormals Flender: Von 2000 bis 2005 habe ein Finanzinvestor Regie geführt. "Die Themen Investition und Innovation, Forschung und Entwicklung, Fort- und Weiterbildung haben in dieser Zeit fast keine Rolle mehr gespielt." Dann sei Flender von Siemens gekauft worden. Und darüber hätten sich alle gefreut. "Leider müssen wir heute zur Kenntnis nehmen, dass die Siemens AG, getrieben durch Aktionäre und Analysten, nicht viel anders agiert als ein Finanzinvestor." Statt neue Produkte zu entwickeln "und eine vertretbare Gewinngeduld zu üben", drohe nun kopfloser Aktionismus. Gewinne von zwölf Prozent im Maschinen- und Anlagenbau seien "schlichtweg unseriös".

In Bocholt fand zwar die größte, nicht aber die einzige IG Metall-Aktion statt. Auch anderswo in NRW waren Siemens-Beschäftigte aktiv, verteilten Flugblätter und diskutierten - an den Standorten von Siemens in Düsseldorf, Duisburg, Essen, Köln, Krefeld und Mülheim. 

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