Belegschaft steht vor verschlossenem Tor
Vergeblich haben die 55 Beschäftigten der Firma Solutions Modelogistik heute ihre Arbeitskraft angeboten: Das Tor des ehemaligen Steilmann-Zentralversands in Bochum-Wattenscheid war verschlossen. Das Unternehmen hat am Freitag Insolvenz angemeldet. Die IG Metall hilft den Betroffenen.
7 Uhr in der Burgstraße, kurz vor Sonnenaufgang: Der Morgenstern am dunkelblauen Himmel steht genau über dem Betrieb, einem wuchtigen Betonklotz. Die Leuchtreklame ist eingeschaltet: „steilmann LOGISTIKZENTRUM“. Auch die Lampen über den Laderampen brennen. Doch das Tor vor dem Pförtnerhäuschen ist verschlossen. Davor stehen die Beschäftigten. Ihr Chef, Michele Puller, hat den Betrieb eingestellt, ohne ihnen zu kündigen. So etwas habe „noch keiner erlebt“, sagt die IG Metall-Sekretärin Wencke Hartjes. Klaus Steilmann, der Firmengründer, würde sich „im Grabe umdrehen“.
„Morgen Jungs“, ruft der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Theisen. Es sei „eine Sauerei sondergleichen“, dass kein Geschäftsführer den Ausgesperrten Rede und Antwort steht. Vor drei Tagen hat die Firma sich für zahlungsunfähig erklärt, die Beschäftigten – 54 Männer und eine Frau – sind von der Arbeit freigestellt worden. Doch sie „wissen einfach nicht, was los ist“, sagt der Betriebsratsvorsitzende den Journalisten.
Undurchsichtige Geschäfte
Ganz überraschend kommt das Ende nicht: Der europaweit größte Hersteller von Damenoberbekleidung, die Klaus Steilmann GmbH, wird 2006 an den italienischen Modekonzern Miro Radici AG verkauft. Der Zentralversand geht 2008 an die Spedition Logwin über und wird in Solutions Modelogistik umbenannt. Mitte Februar 2012 kauft Radici den Versand zurück – und kündigt die Schließung an, obwohl die Beschäftigten alle Hände voll zu tun haben. „Das verstehe wer will“, schreiben die „Ruhrnachrichten“.
Radici-Chef Puller verweigert jede Auskunft. Der Betriebsrat von Solutions Modelogistik zieht vor Gericht, um eine Gewinn-und-Verlust-Rechnung zu bekommen. Er bekommt zwar Zahlen, aber die sind nicht brauchbar. Verhandlungen mit der Geschäftsführung kommen nicht zustande. Per Gerichtsbeschluss wird eine Einigungsstelle eingesetzt, die einen Sozialplan verabschiedet. Die Abfindung soll 75 Prozent eines Monatslohns pro Beschäftigungsjahr ausmachen. Die Beschäftigten sind im Schnitt über 50 Jahre alt und mehr als 25 Jahr im Betrieb.
Mitte Juli wird die Firma an die ECMG AG verkauft – für 1 Euro. Die EMCG ist eine kapitallose Aktiengesellschaft. „Sämtliche Abfindungsansprüche laufen also in Leere“, sagt Frank Hirtes, der Rechtsanwalt des Betriebsrats.
Um 8 Uhr heute Morgen fahren die Steilmänner im Autokorso – und eskortiert von der Polizei – ins Bochumer Gewerkschaftshaus; die meisten sind Mitglied der IG Metall. Im Gewerkschaftshaus berät sie ein Mitarbeiter der Arbeitsagentur; die Ausgesperrten melden sich – vorbehaltlich der Kündigung – arbeitslos. Bevor man am Mittag auseinandergeht, wird vereinbart, sich Mitte und Ende des Monats wieder zu treffen. Sollte die Radici AG – inzwischen umbenannt in Steilmann Holding – dann keinen Lohn gezahlt haben, wird die IG Metall das Geld einklagen.