Schalker drehen am Rad
Mit fantasievollen Aktionen wehrt sich die Belegschaft der Schalker Eisenhütte (SEH) in Gelsenkirchen gegen die geplante Kahlschlagsanierung ihrer Firma. Nur ungefähr jeder dritte der 210 Beschäftigten soll bleiben können. Die Arbeitsplätze der meisten anderen sollen verlagert, einige Dutzend abgebaut werden.
Milad Ebrahimzadeh, 21, bringt das Glücksrad in Schwung, das die IG Metall vor der SEH an der Magdeburger Straße in Gelsenkichen-Schalke aufgestellt hat. Das Rad bleibt bei „Hauptgewinn“ stehen, der junge Mann wird „Berater bei der SEH“. Und erhält ein Spielzeugauto, einen Porsche 911 Carrera. Ein Kollege versucht auch sein Glück – und hat „Pech gehabt“, er wird „arbeitslos“. Er kriegt einen roten Regenschirm, „damit du nicht im Regen stehen bleibst“, erklärt der IG Metall-Bevollmächtigte Robert Sadowsky.
Er und viele andere tragen blau-weiße T-Shirts, auf denen vorne „140 Jahre Schalke“ steht, und hinten “…dürfen nicht genug sein!“ Die Maschinenfabrik, in der „wunderschöne Loks“ produziert werden, wie Sadowsky sagt, ist 1872 gegründet worden. Mit dem Bau der Vollbahnlokomotive SDE 1800 jedoch hat sich das Tochterunternehmen der Bochumer Eickhoff-Gruppe verhoben, es ist tief in die roten Zahlen gefahren.
Geschäftsführung lehnt Sozialplan-Verhandlungen ab
Der Betriebsrat hat früh davor gewarnt. Er ist ignoriert worden. Wie jetzt auch. Die Geschäftsführung will ihr Konzept durchziehen – ohne Rücksicht auf Verluste. Gegen diese Eiseskälte protestierte die IG Metall am 11. Juli auf ihre Weise: Sie bestellte einen Eiswagen und spendierte den Beschäftigten ein Eis. Auf einem Transparent stand: „Eiszeit bei Schalke“ (Foto 6). Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) appellierte an die Firmenleitung, mit IG Metall und Belegschaft zu kooperieren. Auch das half nichts. Am 1. August gingen die Betroffenen erneut auf die Straße: „Unsere Zukunft ist uns nicht wurst“ lautete ihr Motto – und dazu gab es Wurst, Brötchen und Senf von der IG Metall (Foto 7).
Die Geschäftsführung hat die Verhandlungen über einen Interessenausgleich am 3. September platzen lassen, sie lehnt einen Sozialplan strikt ab. Auf den Vorschlag der IG Metall, die Agentur für Arbeit um Vermittlung zu bitten, reagierte sie nicht. Jetzt will die IG Metall vor Gericht durchsetzen, dass eine Einigungsstelle einen Sozialplan beschließt. Ihr Ziel: Sie will das befürchtete „Sterben auf Raten“ verhindern. Der Standort soll lebensfähig bleiben, betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden.